Folgende Stellungnahme ist am Freitag, den 15. Juni 2018 an mehrere Verantwortliche des Bildungsministeriums in Mecklenburg-Vorpommern gesendet worden:

Stellungnahme der Landesarbeitsgemeinschaft Medien M-V e.V. zum Entwurf des neuen Rahmenplans „Digitale Kompetenzen“

Die LAG Medien M-V e.V. äußert sich zum vorliegenden Entwurf des neuen Rahmenplans „Digitale Kompetenzen“ mit einer Stellungnahme, da sie als landesweit aktiver Fach-, Interessensverband und Akteurin für Medienpädagogik und Medienbildung, die Umsetzung der Medienbildung und der Vermittlung von Medienkompetenz in Schule als äußerst wichtig erachtet. Wir nehmen dabei Bezug auf die Pressemitteilung Nr. 091-18 des Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur Mecklenburg-Vorpommerns vom 29.05.2018.

Wir begrüßen grundsätzlich die Erarbeitung eines neuen Rahmenplans, der digitale Kompetenzen in den Mittelpunkt rückt. Der bisherige Rahmenplan Medienerziehung von 2004 ist nicht mehr zeitgemäß, da in ihm weder z.B. Soziale Netzwerke noch Apps berücksichtigt werden. Eine Überarbeitung des Rahmenplans Medienerziehung ist lange überfällig.

An dieser Stelle drängelt sich jedoch die erste Frage auf: Wird der Rahmenplan „Digitale Kompetenzen“ den Rahmenplan „Medienerziehung“ ersetzen oder ergänzen? Bisher sind dazu keine Informationen zu finden. Oder wird der ältere Rahmenplan gar überflüssig, da die dort beschriebenen Kompetenzen im neuen Unterrichtsfach „Informatik und Medienbildung“ vermittelt werden?

Wenn letzteres der Fall ist, dann gehen nach unserer Einschätzung, die Schulen im Land einen großen Schritt rückwärts in der Medienbildung, da zumindest im alten Rahmenplan alle Schulformen und alle Klassenstufen ihre altersgemäße Berücksichtigung finden. Soweit bisher deutlich geworden ist, wird das Unterrichtsfach „Informatik und Medienbildung“ erst ab Jahrgangsstufe 7 etabliert werden. Im Rahmenplan „Digitale Kompetenzen“ wird an einigen Stellen die Vermittlung von Basiskompetenzen im Fach Informatik in Klasse 5 beschrieben. Wie passt das zusammen? Was ist mit der Vermittlung der Basiskompetenzen in der Grundschule?

Zum anderen fällt mit dem ausschließlichen Fokus auf digitale Kompetenzen die Vermittlung anderer ebenso wichtiger Medienkompetenzen, wie Fernsehen, Radio oder der Presse, weg. Wir sehen die grundsätzliche Medienbildung und die dabei zu vermittelnden und zu erwerbenden Kompetenzen, wie sie zu mindesten im ersten Rahmenplan beschrieben sind, als wichtige Grundlage für die Aneignung digitaler Kompetenzen.

Kritisch Anmerken möchten wir folgende Aspekte im neuen Rahmenplan „Digitale Kompetenzen“:

  • Es gibt zu wenige Beispiele und Bezugspunkte für die Grundschule.
  • Soziale Netzwerke und Apps werden nur marginal thematisiert. Das ist dem heutigen Mediennutzungs- und -produktionsverhalten Jugendlicher unangemessen gegenüber. (siehe JIM-Studie 2017)
  • Im Rahmenplan ist keinerlei kreativer oder spielerischer Umgang mit den neuen Medien vorgesehen. Zum Beispiel werden Creative Gaming, MaKey MaKey sowie Augmented und Virtual Reality nicht erwähnt.
  • Computerspiele werden nur in Zusammenhängen für Virtuelle Gefahren und Sucht thematisiert. Auch hier sind positive und konstruktive Projekte und Auseinandersetzungen möglich. Denn Gaming kann auch eine positive und lebensweltnahe Lernmethode darstellen, die sich in einer positiveren Einstellung zum Lernen äußert sowie kognitive Fähigkeiten fördert und zu verbesserten schulischen Leistung führen kann. (siehe Quelle 1)
  • Die Klassenstunde soll dazu genutzt werden die Basiskompetenz „eigenes Agieren in sozialen Netzwerken reflektieren und anpassen“ zu vermitteln. Gerade hier wäre eine andere Einbindung und nähere Beschreibung wichtig.
  • Viele, immer noch wichtige, Ziele der Leitthemen aus dem Rahmenplan Medienerziehung finden keine Berücksichtigung im Rahmenplan „Digitale Kompetenzen“. (Bspw: fast alle Ziele zum Leitthema Fernsehen fehlen, Leitthema Nachrichten und Informationen: Wiedergabe von Nachrichten in verschiedenen Formen, Produktion eigener Nachrichten)
  • Eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Medienkonsum fehlt. Eine Erstellung von Statistiken ist noch keine Auseinandersetzung. Die Beschäftigung mit Video im Online- bzw. Telemedien-bereich inkl. Streamingdienste fehlt grundsätzlich.
  • Insgesamt wird der eigenen Produktion und damit aktiven Auseinandersetzung verschiedenster Medien zu wenig Platz eingeräumt.
  • Das Medium Video/Film wird hauptsächlich zu Dokumentationszwecken eingesetzt oder als reines Anschauungsmaterial. Der kreative Einsatz von Videotechnik taucht nur sehr marginal, aus unser Sicht zu wenig, auf.

Offen bleibt auch, wie die Lehrkräfte diese vielen wichtigen Aufgaben in Schule allein bewältigen sollen. Der Rahmenplan beschreibt keine und sagt nichts über die Einbindung von außerschulischen Medienpädagog*innen aus. Mit der Einführung dieses neuen Rahmenplans und der Nicht-Erwähnung außerschulischer Partner*innen drängt sich die Frage auf wie der Stellenwert z.B. vom Programm „Schule plus“ gesehen wird. Wird dieses Programm fortgesetzt oder sind andere zukunftsfähige und dem Bedarf an Medienbildung angemessenen Finanzierungsformen für die Ermöglichung von Bildungspartnerschaften zwischen schulischen und außerschulischen Einrichtungen geplant?

Die Bewerbungen und Gewinnerprojekte des Medienkompetenzpreis M-V 2018 in der Kategorie Schule zeigen deutlich, dass diese oft nur in kooperativen Bildungspartnerschaften mit sog. außerschulischen medienpädagogischen Facharbeitsstellen (z.B. Medienwerkstätten und freien Medienpädagog*innen oder Offenen Kanälen oder dem Medientrecker der MMV) ermöglicht werden und gelingen können.

Dem wird im neuen Rahmenplan „Digitale Kompetenzen“ überhaupt nicht Rechnung getragen.

Es braucht neben der inhaltlichen Überarbeitung an mindestens den oben genannten Punkten im neuen Rahmenplan auch eine zukunftsfähige Strategie der Förderung und des Ausbaus der außerschulischen medienpädagogischen Facharbeitsstellen. Medienpädagogische Fachkräfte ermöglichen und bereichern seit vielen Jahren die Medienbildung und -kompetenzvermittlung in Schule. Das kann an dieser Stelle nicht ausgehebelt und außer Acht gelassen werden.

Nur durch ein gezieltes Fachkräfteprogramm für schulische und außerschulische Medienpädagog*innen wird eine Strategie für Medienbildung in der Schule noch wirksamer. Bildungspartnerschaften ermöglichen den Herausforderungen an Medienbildung adäquat, zeitnah und an der Lebensrealität junger Menschen orientiert zu begegnen (siehe Studie Bildungspartnerschaften zwischen Schule und außerschulischen Akteuren der Medienbildung) Die Digitalisierung durchdringt alle Lebensbereiche und stellt mit ihrem gesamtgesellschaftlichen Charakter eine gemeinsame Aufgabe dar. Schule sollte sich hierfür weiterhin öffnen. Dabei sollte die prekäre Situation von medienpädagogischen Fachkräften in Mecklenburg-Vorpommern nicht weiter ignoriert werden (siehe QuiM-Studie).

Abschließend soll nicht unerwähnt bleiben, dass wir es für wünschenswert erachten wichtige Partner*innen der Medienbildung im Land mit derem fachlichen Wissen und Know How bei der Erstellung neuer (Rahmen)pläne im Feld der Medienbildung mit einzubeziehen. Unserer Ansicht nach hat das Land mit der Kooperationsvereinbarung zur Förderung der Medienkompetenz einen wichtigen Schritt getan um gemeinsam an diesen Herausforderungen zu arbeiten. Dies sollte Berücksichtigung finden.

gez. Vorstand der Landesarbeitsgemeinschaft Medien Mecklenburg-Vorpommern e.V. und der Landesgruppe Mecklenburg-Vorpommern der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur

Rostock, den 15. Juni 2018

 

  • Quelle 1: Blumberg, F.C., Altschuler, E.A., Almonte, D.E., & Mileaf, M.I. (2013). The impact of recreational video game play on children’s and adolescent’s cognition. In F.C. Blumberg & S.M. Fisch (Eds.), Digital games: A context for cognitive development. New directions for child and adolescent development, 139, 41-50.

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